Buchtipps für Kinder ab 6 Jahren

Man kann doch nicht mit einem Mädchen befreundet sein! Oder doch?

Sverre Henmo „Hier wohnt Ben und da Marie“ 

Buchtipp von Cathleen Hycnar 

Ben und sein kleiner Bruder Klaus genießen ihre Sommerferien mit den Eltern sehr. Keine Schule, der warme Sommer und den ganzen Tag im See baden. Aber wie Alles hat auch der schönste Urlaub ein Ende. Zu Hause angekommen, muss Klaus feststellen, dass nebenan neue Nachbarn eingezogen sind. Er ist enttäuscht, als er mitbekommt, dass neben dem rüpelhaft erscheinendem großen Bruder nur ein Mädchen in seinem Alter mit zur neuen Familie gehörte. Mit Mädchen kann man doch nichts anfangen und schon gar nicht passt ihm der große Hund, der immer an ihrer Seite ist. Ben hat eigentlich Angst vor großen Hunden, aber das kann man natürlich als Neunjähriger, jetzt schon Viertklässler, nicht zugeben. Ebenso wenig, dass er Marie eigentlich ganz interessant findet. Sie sitzt zu allem Überfluss auch noch neben ihm in der Schule. Aber irgendwie ist sie gar nicht wie andere Mädchen. Warum hat sie keine Angst vor der Clique älterer Jungen, die die Siedlung unsicher machen? Und warum nur kann sie schneller laufen als er? Und wo ist eigentlich Marie`s Mutter? 

Eine spannende Zwischendurch-Geschichte von Freundschaft. 

Sverre Henmo: Hier wohnt Ben und da Marie, aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs, Carlsen, Hamburg 2008. Ab 8 Jahren

Eine andere Art, Afrika zu entdecken

Marie-Thérèse Schins "In Afrika war ich nie allein" 

Buchtipp von Roswitha Schmidt 

Afrika - der schwarze Kontinent. So groß, so vielseitig und doch für viele ebenso unbekannt. Auch die elfjährige Doro aus Hamburg, weiß wenig darüber, was sie in Afrika erwartet, als sie die Reise mit ihrem Vater dorthin antritt. Gemeinsam mit ihr geht der Leser auf eine spannende Entdeckungsreise und lernt mit ihr ein Land kennen, das nicht schwarz sonder bunt ist. Mit Menschen, deren Kultur zwar anders als die europäische ist, aber neugierig macht. Was spielen afrikanische Kinder für Spiele? Wie sieht eigentlich eine afrikanische Toilette aus? Warum sagt jemand, er habe 3 Väter? Wieso sollte man kein Wasser trinken?...
Doro und ihr Vater lernen viel Neues kennen, manchmal wird es dabei aber auch sehr schwierig die Ruhe zu bewahren, zum Beispiel wenn man eine halsbrecherische Fahrt mit einem Bus unternimmt oder unter dem eigenen Bett Spinnen und Ratten wohnen, doch sie versuchen zu verstehen und sich zurechtzufinden, was sowohl Freude als auch Tränen bringt. Gemeinsam mit ihnen lernt der Leser selbst viel über dieses ferne Land.
Sehr gelungen: es wird keine naive „Heile Welt“-Geschichte erzählt, sondern auch erklärt, wo Dinge im Argen liegen und dass das Lächeln der Afrikaner keineswegs Sorglosigkeit ist. Dies ist kein Lehrbuch, doch während man sich zusammen mit Doro seine Gedanken macht, lernt man, dass die Wirklichkeit nicht einfach zu erklären ist, besonders in Afrika. 

Schins, Marie-Thérèse: In Afrika war ich nie allein; dtv Junior; München 2003. Ab 7 Jahren

Nur grasen ist einfach nicht genug!

Martin Klein „Rita das Raubschaf“ 

Eigentlich fehlt es dem Schaf Rita an nichts. Stundenlang könnte es wie die anderen Schafe auf dem Deich grasen und ab und zu dösend auf das Meer blicken. Doch das reicht Rita nicht. Rita ist anders als die anderen Schafe. Rita will mehr! Rita möchte ein Raubschaf sein und Raubschafe gibt es nur auf hoher See. In Ruth dem Meerschweinchen findet Rita einen Kumpan. Zusammen träumen sie nicht nur vom Abenteuer, sondern sie setzen ihren Plan gemeinsam in die Tat um. Doch was wäre eine Reise ohne sonderliche Begegnungen und so mancher Gefahr, die man nur durch Zusammenhalt bestehen kann? Und was wäre eine Reise ohne nachträgliche Erkenntnis? Ritas und Ruths Geschichte ist für Kinder ab sechs Jahren geeignet. Jedoch fachsimpeln die beiden teilweise so viel miteinander, dass gerade bei jüngeren Kindern, ein Erwachsener mit Erklärungen zur Seite stehen sollte. Die Unterteilung in Kapiteln lässt den Leser oder Vorleser vom turbulenten Geschehen verschnaufen. Viele kleine Zeichnungen untermalen Ritas und Ruths abenteuerliche Begegnungen und lassen den Betrachter schmunzelnd mitfiebern. 

Klein, Martin: Rita das Raubschaf, Tulipan Verlag, Berlin 2009. Ab 6 Jahren

Ein bisschen Comic!

Jean Regnaud „Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen“

Buchtipp von Cathleen Hycnar 

Dieses Buch, das aus dem Französischen übersetzt wurde, ist im Comic-Stil geschrieben. Die sehr humorvoll gehaltene Geschichte hat zwar einen traurigen Hintergrund, aber das Schmunzeln über die Schreibweise kann man sich bis zum Schluß nicht verkneifen. Ein wirklich herzzerreissendes Thema, das allerdings erst zum Schluß klar heraustritt, sodass der Leser den niedlichen Humor ohne schlechtes Gewissen geniessen kann. Sehr einfühlsam geschrieben aus der Sicht eines 7jährigen Jungen, der gerade eingeschult wurde und nicht versteht, warum er seine Mama nicht sehen kann wie alle anderen auch. 

Jean Regnaud: Meine Mutter ist in America und hat Buffalo Bill getroffen, aus dem Französischen übersetzt von Kai Wilksen, Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2009. Ab 6 Jahren

Eine der spannendsten Schatzsuchen der Literaturgeschichte 

Ingrid Uebe „Die Schatzinsel“
Eine Nacherzählung von Robert Louis Stevensons berühmtem Klassiker 

Buchtipp von Ariane Bellgardt 

Irgendwo da draußen ist er, irgendwo da draußen muss er sein. Wenn man doch nur wüsste, wo.
Seit jeher ist die Menschheit von seltenen Kostbarkeiten und Schätzen fasziniert. Viele von ihnen sind über die Jahrhunderte geborgen oder gar geplündert worden. Das Gold der Inka reizte die Spanier so sehr, dass sie das Volk samt seiner reichen Kultur vernichteten. Zahlreiche Grabräuber machten sich auf, um die Kostbarkeiten aus den Ruhestätten der ägyptischen Pharaonen zu bergen und auch die kalifornischen Flüsse führen heute kein glitzerndes Gold mehr.
Die Suche nach diesen und allen anderen Schätzen war allerdings nicht nur reizvoll, sondern auch äußerst gefährlich. Selten war man allein auf der Suche nach ihnen. Und so waren es meist die anderen Schatzsucher, die die größte Gefahr für den eigenen Erfolg darstellten. Dennoch gab es viele Abenteurer, die bereit waren, für einen Schatz den eigenen Tod in Kauf zu nehmen. Sie alle und ihre Kämpfe um Ruhm und Reichtum bildeten die Grundlage für zahlreiche Abenteuergeschichten.
Eine der berühmtesten von ihnen ist die von dem jungen Jim Hawkins, der sich zusammen mit einer Schar Piraten auf die Suche nach dem Schatz des berüchtigten Kapitän Flint macht. Mit dessen Schatzkarte ausgerüstet stechen Jim, Doktor Livesey, Baron Trelawney und Kapitän Smollett mit einer Schiffsmannschaft in See. Doch ist allen Männern an Deck, allen voran Long John Silver, zu trauen? Sind doch viele von ihnen immerhin Piraten, denen das Entern von Schiffen scheinbar angeboren ist. Und tatsächlich, die Mannschaft spaltet sich und die Piraten um John Silver meutern das Schiff. Der Kampf um den Schatz von Kapitän Flint beginnt.
In klarem, prägnantem Stil erzählt Ingrid Uebe Robert Louis Stevensons berühmtes Abenteuer um „Die Schatzinsel“ nach. Aus der Perspektive des Wirtssohnes Jim Hawkins verfolgen wir die wichtigsten Ereignisse aus einem der berühmtesten Piratenabenteuer der Literaturgeschichte. Dabei steht die Nacherzählung dem Original in Sachen Spannung in nichts nach. Während des Lesens kann man die salzige Meeresluft beinahe riechen und die unberührte Natur der Schatzinsel vor dem geistigen Auge sehen.
Lebendige, farbenfrohe und phantasievolle Illustrationen lockern jede Doppelseite auf und machen sowohl Protagonisten als auch die Handlung noch anschaulicher.
Also, stechen wir gemeinsam mit den Piraten in See und begleiten Jim Hawkins bei seinem Kampf um den Schatz des berühmten Kapitän Flint. Entdecken wir mit der Mannschaft die Geheimnisse der „Schatzinsel“. 

Stevenson, Robert L.: Die Schatzinsel. Nacherzählt von Ingrid Uebe, Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 2010. Ab 8 Jahren

Berge, Schnee und ein bisschen "Heidi"- Feeling

Maria Parr „Sommersprossen auf den Knien“ 

Buchtipp von Cathleen Hycnar

Ganz anders als der Titel und die Illustration des Buches vermuten lassen, spielt die Story nicht im Sommer-Camp, sondern in den schneebedeckten Bergen. Die Autorin Maria Parr kommt aus Norwegen und erzählt vom sorglosen Leben einer wilden, etwas moderneren "Heidi". Naja...fast sorglos. Unsere Kinder können mit diesem Buch in eine Welt eintauchen, in der sie mit Alltagssorgen zu kämpfen haben - wie die kleine, wilde Tonje Glimmerdal, die mit Löwenmut versucht, alles ins rechte Lot zu rücken und alle Beteiligten danken ihr mit Symphatie und Respekt. Das Kinderbuch erzählt von tiefer Freundschaft zwischen einem kleinen, wilden Mädchen zu einem einst griesgrämigen, verbitterten alten Mann und von großer Verlustangst, als ihm etwas passiert. Die Autorin hat wohl ihre gesamten Kindheitserinnerungen und die Geschichte von der berühmten "Heidi" (die übrigens auch eine kleine Rolle in dem Geschehen hat) in dieser Erzählung zu einem Paket geschnürt. Es ist sehr liebevoll und warmherzig aus der Sicht einer 9jährigen geschrieben, der Familiebande und tiefe Freundschaft sehr wichtig sind und für die sie alles riskiert. Sich sogar ihrer riesigen Angst vor Hunden stellt.
Wer seinem Kind "Heidi" etwas moderner nahe bringen will, der trifft mit diesem Buch genau ins Schwarze. Zeitlos geschrieben, deshalb auch ein Buch zum Weiterreichen in die nächste Generation. 

Parr, Maria: Sommersprossen auf den Knien. aus dem Norwegischen übersetzt von Christel Hildebrandt, Dressler, Hamburg 2010. Ab 8 Jahren

Das Leben des 4-jährigen Tuso

Hanna Schott „Tuso. Eine wahre Geschichte aus Afrika“

Buchtipp von Ariane Bellgardt

Fantasy-Romane sowie Geschichten über Vampire, Zauberer und andere sagenhafte Wesen erfreuen sich großer Beliebtheit. Wie reizvoll ist es, dem Hier und Jetzt zu entfliehen, mit seinen Helden in fremde Welten einzutauchen und an ihrer Seite die spannendsten Abenteuer zu erleben.
Aber ist es eigentlich notwendig, bis nach Mittelerde zu reisen oder einen Tarnumhang zu besitzen, um ferne Welten kennenzulernen? Ist unsere Wirklichkeit selbst nicht schon unglaublich vielfältig und bietet so viel Fremdes, dass es manchmal schwer fällt, sich das Leben anderer Menschen und deren Kulturen vorzustellen?
Wie wächst beispielsweise ein kleiner Junge in Asien, Lateinamerika oder Afrika auf? Womit spielen er und seine Freunde? Hat er auch ein Kuscheltier, ohne dass er abends nicht einschlafen kann? Und hat er überhaupt ein warmes Bett und ein sicheres Dach über dem Kopf?
Hanna Schotts authentische Geschichte über den 4-jährigen Tuso und seinen 8-jährigen Bruder Daudi gibt eine mögliche Antwort auf diese Fragen. In ihrem Buch „Tuso. Eine wahre Geschichte aus Afrika“ schildert die Autorin mit klaren und für Kinder verständlichen Bildern das Leben des 4-jährigen Jungen in den Straßen der Großstädte Tansanias.
Nach der gemeinsamen Flucht vor ihrer Tante in die nahegelegene Stadt Moshi verlieren sich Tuso und Daudi schnell in den großen Menschenmengen der Stadt. Der kleine Tuso muss in der Folge auf sich allein gestellt dafür kämpfen, täglich etwas zu essen und zu trinken zu bekommen, zu überleben und seinen Bruder wiederzufinden.
In seinen Jahren als eines von vielen Straßenkindern Tansanias trifft er auf vieles, das er aus seinem Heimatdorf nicht kannte. Durch Franziska Junges Illustrationen veranschaulicht, begleiten wir Tuso, als er das erste Mal so wundersame Dinge wie einen Fernseher, einen Supermarkt oder zwei dicke, weiße Frauen sieht. Wer sind sie und was wollen sie in einem Land, in dem doch sonst alle Menschen eine dunkle Hautfarbe haben?
Anhand der wahren Geschichte des kleinen Tuso erfahren wir aber nicht nur etwas über das Schicksal dieses Jungen. Mit Bild und Text führen uns Graphikerin und Autorin eindrucksvoll vor Augen, wie deutlich sich die afrikanischen Lebensumstände von unseren in Europa unterscheiden.
Darüber hinaus verdeutlicht Hanna Schott am Beispiel der beiden weißen Frauen auch, dass es mit persönlichem Engagement möglich ist, Kindern wie Tuso zu helfen und eine Zukunftsperspektive zu geben.
Vorrangig aber erfahren wir und besonders unsere Kinder, dass es Kinder in ihrem Alter gibt, die es viel schwerer haben und für die eigentlich selbstverständliche Dinge alles andere als selbstverständlich sind.
Das Buch nimmt sich des Problems der ungleichen Verteilung des Wohlstands auf der Welt an und schafft es, ein so wichtiges Thema bereits für Kinder ab 6 Jahren verständlich darzustellen. 

Schott, Hanna: Tuso. Eine wahre Geschichte aus Afrika, Klett Kinderbuch, Leipzig 2009. Ab 6 Jahren

Von Zweien, die das Meer erkunden

Inge Feustel „Leopold und Winni am Meer“ 

Buchtipp von Ariane Bellgardt

Jeden Tag stoßen Kinder auf Dinge, die sie zuvor nicht kannten und die sie sich im ersten Moment schwer erklären können. So vieles gibt es zu entdecken und zu erkunden. So vieles bringt uns zum Staunen und lässt uns nach dem Wie oder Warum fragen.
Immer wieder neue Fragen stellen sich auch der kleine Junge Winni gemeinsam mit seinem besten Freund, dem Hund Leopold, in Inge Feustels Kinderbuch „Leopold und Winni am Meer“.
In den zehn kleinen Geschichten des Buches halten sowohl Strand als auch Meer immer wieder neue ’Wunder’ für die beiden bereit, die es gilt zu ergründen und zu verstehen.
„Wie ist die Mücke in den Stein gekommen?“, „Warum haben Fische denn einen hellen Bauch?“ und wie gelingt es den Quallen eigentlich „wie Unterwasserraketen“ durch’s Meer zu schießen? Diese und andere Fragen stellen sich die zwei Freunde, als sie am Meer die unterschiedlichsten Lebewesen entdecken und beobachten.
Dabei nehmen sie uns Leser mit auf ihre Erkundungsreisen. Unterstützt durch eine anschauliche, bildreiche Sprache sowie durch zahlreiche Illustrationen, erfahren wir die Lösungen der Rätsel des Meeres zeitgleich mit den beiden Figuren. Durch kleine Experimente, die auch wir gemeinsam mit unseren Kleinen zu Hause ausprobieren können, veranschaulichen Winni und Leopold die Erklärungen zusätzlich.
Zudem überzeugen die zehn Geschichten durch ihre Kurzweiligkeit und durch für Kinder ab sechs Jahren verständliche Erklärungen. Sie eignen sich damit sehr gut, um dem eigenen Kind sowohl eine Geschichte zu erzählen als auch ein Stück der Welt zu erklären. Und auch den Schulkindern, die erst vor kurzem mit dem Lesen begonnen haben, werden die kleinen Abenteuer nicht zuletzt durch die vielen Illustrationen große Freude bereiten. 

Feustel, Inge: Leopold und Winni am Meer, Verlag Junge Welt, Berlin 1990. Ab 6 Jahren